Endlich 18, endlich der Führerschein in der Tasche. Große Familie mit vielen Autos und: keins davon darf ich fahren. Also die letzten Kröten damals 1998 zusammen gekratzt, das Göttinger Tageblatt aufgemacht und 2 Dörfer weiter eine schwarze kleine Vespa PK 50 XL 2 gefunden und gekauft. Damit fing diese ganze Vespa-Sucht an.
Diese kleine Perle mit ihren wahnsinnigen 48,5 km/h Höchstgeschwindigkeit (mit Helm auf Tacho) sollte mich tausende von Kilometern durch mein Erwachsenwerden begleiten, brachte mich durch München, Wittingen, Leipzig und Göttingen langsam, aber glücklich fast immer ans Ziel.
 
Sprüche von den ersten Arbeitskollegen (“Moritz, du beschleunigst nicht, du nimmst Fahrt auf”) und die traurige Erkenntnis, dass jeder Rasenmäher bei Obi mehr PS als ich hat, brachten mich aber nicht davon ab, meine kleine Vespa abgöttisch zu lieben. Natürlich schwarz, natürlich mit Weißwandreifen, Chrom wo nötig und mit original Mercedes-Benz S 600 V12 Schild an der rechten Backe. Dann trennten sich leider unsere Wege irgendwann.

Der Motorradführerschein und mit ihm die ersten Motorräder kamen. Trotzdem blieb ich an jeder schönen Vespa stehen und grüßte die teils irritierten Fahrer von knatternden Vespas. Als die Kinder kamen und mein dickes schweres Bike nur noch in der Garage verstaubte entschied ich mich, das Motorrad für Schiebetüren und Babysitz zu tauschen und legte die Zweiradsehnsucht aufs Eis “für später”.
 
Aber einmal gefangen, lässt einen das nie mehr los. Es ist wie beim Rauchen aufhören: de facto pausiert man nur, wer einmal darauf “reingefallen” ist, der ist süchtig - selbst nach jahrelanger Abstinenz kommt bei einem magic moment der “JETZT eine Kippe”-Gedanke auf. Ehrliche Ex-Raucher kennen das Gefühl!
Und so kam ich wieder auf den Gedanken: Hey, Familie gründen...Kinder...Motorradfahren ist jetzt gerade nicht Hobby Nummer 1 - aber so eine kleine Vespa….sowas zum lieb haben, für “in der Stadt”, zum Abends in die Garage gehen und ein letztes mal streicheln, für ein nach 2 Gläsern Wein die weißen Blinkergläser mit Chromumrandung kaufen und sich beim Einbauen freuen, für “im Winter mach ich mal den Vergaser sauber” und überhaupt die kleine Freiheit am Tage - Ja, ich will! Aber natürlich: Schwarz muss sie sein, Weißwandreifen, Chrom wo nötig und mit V12-Schild…
 
Also los ging die Suche und Holla die Waldfee! Was wollen die denn für Geld haben? Verrostete scheiß Kröten mit angeblicher Patina, vergammelt, geschunden am anderen Ende Deutschlands für horrende Summen…das würde dauern. Und so ging es Tag für Tag, Abend für Abend: Kinder ins Bett bringen, eine Hand aufgelegt, die andere scrollte Ebay Kleinanzeigen nach nicht verrückten Anzeigen durch. 
Und dann fand ich sie endlich, vor ca einem Jahr: Eine Rentner-ramponierte PX80, Baujahr `93, 30k auf dem Tacho für 950 € nähe Kassel. Von weitem sah sie gut aus, je näher dran sah man schon, dass in letzter Zeit wenig Liebe hinein floss…kurz vor Kauf zögerte ich noch: “Trau ich mir das zu? Kann ich das alles schraubertechnisch hinbekommen”?
 
Ich war mutig und kurze Zeit später wurde sie mit Sekt bei uns in der Garage empfangen:
 
 
   
 
 
 
Und nach der ersten Wäsche wusste ich: Okay, das war keine Fehlentscheidung! Ab jetzt war der "Mario" Teil der Familie.
 
 
Und dann ging es los: GSF, Vespa-Online, Youtube, Schrauberseiten und die Vespa Bibel - man muss sich ja schlau machen. Ölwechsel, diverse Züge neu, Sitzbank reparieren, diese 90er Typenschilder ausgewechselt, Weißwandreifen, Hebel, Griffe, Beinschildkantenschutz, 134er DR (allein dafür könnte ich nen eigenen Bericht schreiben…), und und und. Das schlimmste war aber war: Der Öltank hatte einen Riss! Irgendwo an der Mittelnaht. Das hatte aber den Rentner nicht interessiert. Der hatte den Tank schön aufgefüllt, alles bis zur Mittelnaht lief erstmal wieder aus und mit dem Rest hatte er dann doch ansatzweise einen Schmierfilm in der Zylinderlaufbahn generiert. Ich dachte mir: Okay, 2Takter, da haste n bisschen Schmock dran: Nix da, die gesamte Kiste war mit einer zentimeterdicken Schicht Ölschmock überzogen. Gut, bester Rostschutz den man haben kann - aber wenn die Schlüsselweite durch Freikratzen der Mutter von 24 auf 17 schrumpft und man sich dauernd überlegen muss, was man unter die Vespa legt weil man die Garage ganz gern auch sauber halten möchte…boah. Und die große Angst vorm TÜV-Mann war auch mit dabei…
 
Aber so wurde nach und nach aus dem Rentner-Roller ein wunderschöner Mario:
 
Letzten Winter dann den großen Vergaser- und Kupplungsservice inklusiver 23er Ritzel, neue Bremsbeläge und Tacho + Scheinwerfer aus der MY eingebaut - mal schauen was als nächstes kommt. :-)

     

Update 2022:
Ihr müsst meinen Artikel: "Moritz zweite PX" lesen, um zu wissen, wofür der gute Mario "geopfert" wurde.